NÄHER AN DIE QUELLEN HERAN

Monika Rinck

Illustration by Dianna Xu


Wo aber tränkst du deine Kamele?


Der Dichter möchte näher an die Quellen heran. Ein in Gedanken versunkener Philosoph fühle, je tiefer er in seine Gedanken sinke, gleichsam die Dummheit in sich aufsteigen, heißt es in einem viel zitierten Text—stumm, müde, voller Überdruss, in Erwartung des Schocks der Differenz. Das sei seine tägliche Vorübung, die dem Denken voranzugehen habe. Ein noch trockener Schwimmer, der am Beckenrand mit den Armen kreist und mit leerem Blick über das Wasser schaut. Einer, der sich in der Küche idiotische Reime vorsagt und sich überall kratzt. Eine, die summend auf dem Rücken liegt, und wieder ein anderer, der sich zögerlich die Nägel macht.

Kommen jetzt die Kramgedanken? Keimt es? Die Tür zur Messe lässt der Messie auf—die Fülle ist auch Chaosangst, das Ritual steht sehr gerade, doch gefährdet wie auf Kante da, eingehüllt in Marktgeschehen, Rufe, Dübel, Apfelsinen, Ramschklamotten, Handys, Gurken, Ledergürtel, Messer, Scheren und Oliven. Wann gelingt es denn, das Denken? Und woher kommt es, wenn es neu ist?

Sie kennen das Unterbestimmte, das Grobe, das Panische, das Angespannte, das Alberne, das Amorphe, das Semiotische, das Überanstrengte, das Mimetische, das Poetische, das Idiotische, das Eigene und so weiter. Es sind formlose, noch nicht denkbare Figuren, wie die Vorstellung von Wortsinn ohne Klang, oder die Kontur eines noch inhaltsleeren Gedankens. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Neue, um ans zu Licht zu kommen, einen dunklen Korridor der Dummheit durchqueren muss. Das ist der einzige Weg, so erfand man in der Antike das Tennis, die Pumpe und den Latex. Sind Sie Frau Baugrund?, siezte ein Glas Milch seine Ex—und die Situation kippte.

Zum Advent des Neuen gehört eine leicht fahrige Anspannung des Denkens, die erst dann nachlassen will, wenn ein haltbarer Gedanke aufgetreten ist. Es ist die unsichere und überfordernde Vorwegnahme eines Raumes, den erst der Gedanke, welchen ich aber noch nicht denken kann, schafft und damit legitimiert. Es gilt also, in stummer Erwartung ein Leervolumen herzustellen, in das jedoch der herumlungernde innere Vandalismus unverzüglich hineineilt, und wo er haust, in Angst, Trübsal und Rage. Entmutigend und zerstreuend. Haben Sie die Gerundien gegossen? Noch besser, ich habe sie verdübelt. Hier passt alles und nichts. Julia Kristeva nennt das Hohelied „den Soundtrack einer Bestattungsorgie.“

Kommt eine Frau zum Frauenarzt. Das reicht schon. Bitte, erzählen Sie mir den nicht. Zu spät. Den hätten Sie mir besser nicht erzählen sollen. Der Dichter muss schließlich haushalten mit den vor-ideologischen Rohstoffen, von denen es zudem kaum noch welche gibt. Sie kennen schlechte Witze, dumme Witze, gute Gedichte, bösartige Sprechakte, die alle aus irgendwelchen Gründen unvergesslich sind. Entsetzlich ist die immense innere Produktivität der bösartigen Aussage, die ihren verunsicherten Adressaten so in Beschlag nimmt, dass der sich bald wünscht, er hätte dieses oder jenes sein Lebtag nicht gehört. Es ist die Befähigung zum jahrzehntelangen Widerhall, die der unvergesslich schlechte Witz, die unvergesslich böse Beschimpfung und die unvergesslich schöne Zeile eines Gedichtes gemeinsam haben. Einstweilen aber möchte der Idiot folgendes Idyll mit Ihnen teilen.

Idyll
Ich lag und sann, da kamen Kram-Gedanken.
Natürlich ist es recht, den Kram im Kopf zu haben.
So hältst die Sterne du in ihren Bahnen.
Statt aus der Welt heraus zu existieren
und fremd zu sein wie dir mehr als den Tieren.
Lass deinen Kram wie Himmelskörper strahlen
und denke dir zum Abschluss Brombeerranken.


Es gibt eine unheilige Koinzidenz zwischen der Schönheit und der Grausamkeit einer Aussage, die die Wiederholung und das unfreiwillige Memorieren begünstigt. Wenn es linguistische Liebe gibt: Du hast so schön gesprochen, wird es auch eine Form des linguistischen Hasses geben. Ob der Sprecher, die Sprecherin nur zitiert oder sich preisgibt—oder sich preisgibt, obwohl oder indem sie zitiert—, ist zwar in mancher Hinsicht nicht gleichgültig, spielt aber für die Sympathie, die man der Äußerung entgegenbringt, keine allzu große Rolle. So wie es auch nicht unbedingt darauf ankommt, ob der Idiot den bösen Witz, den er erzählt, genau in diesem Moment erfindet oder ob er seit mehreren Jahren in seinem Gedächtnis herumlag.

Der Idiot beobachtet die Zunahme einer sehr unkomischen Härte in vielen Bereichen, die von denen, die sie vertreten und ausüben, genauso wie von denen, die sich ihr vorbildlich unterwerfen, bedauert wird. Zwei spielsüchtige Homöopathen nachts um drei im Automatenkasino schüsslern den Automaten, der sogleich tiltet. Sagt der eine: Ich hab das ganze Geld verbrannt und bin liquide. Ich bin liquide wie ein Flammenmeer (Sea of Flames). Zwei Homöopathen nachts um drei im Automatenkasino reißen ihre Beine auf Stirnhöhe, zeigen die aufgedehnte Kehle des Knies, schnalzen. Kommt die unterbezahlte Abrufkraft im grünen Uniform-Imitat und sagt: Ich sehe „eine wütende, eine rasende Nüchternheit, gegen die sich die Beschreibung der visionären Berauschung kontemplativ ausnimmt: die Ekstase ist ein Stillstand reiner Gegenwärtigkeit in ruhigem Auskosten.“ Da rappeln aus dem Automaten hämische Dübel im Wert von etwa 200 Euro. Der Abend ist gerettet.

Viele wollen sich—unterstützt von multiplen Anwendungen—einer panischen Gleichzeitigkeit andienen, oder sich zumindest nicht länger dagegen wehren, wobei sie mit fahrigem Multitasking ihre Befähigung dazu ununterbrochen unter Beweis stellen, respektive wischen. Diese Form einer vermeintlichen Gegenwärtigkeit ist das Gegenteil des Auskostens. Zuweilen scheinen selbst Sexualität und Effizienz in eins zu fallen! Grusel! Der Dichter vermisst das Ausbrechen befremdender Albernheit, den Hauch tiefholden Unfugs und andere taumelnde Spiele. Sagt das Seihsieb zum Halbgott: Ich lass dich durch, wenn auch nur zu Hälfte. Mit Roger Caillois könnte man argumentieren: Dem Spielerischen fehlt häufig die Hälfte, es fehlt Ilinx (der Rausch des Taumelspiels) und Alea (die Freiheit des Zufalls), Agon und Mimikry aber sind vorhanden bis zum Überdruss.

Es ist wirklich schade zu sehen, wie trist die Spiele geworden sind, die die Gesellschaft zu ihrer Erholung vorgesehen hat. Dennoch scheinen sie zu funktionieren, zumindest unter Zuhilfenahme von Drogen. „Die Veränderung der Stimmungslage ist das Wertvollste, was der Alkohol dem Menschen leistet, und weshalb dieses ‚Gift‘ nicht für jeden gleich entbehrlich ist. Die heitere Stimmung, ob nun endogen entstanden oder toxisch erzeugt, setzt die hemmenden Kräfte, die Kritik unter ihnen, herab und macht damit Lustquellen wieder zugänglich, auf denen die Unterdrückung lastete. Es ist überaus lehrreich zu sehen, wie die Anforderungen an den Witz mit einer Hebung der Stimmungslage sinken. Die Stimmung ersetzt eben den Witz, wie der Witz sich bemühen muss, die Stimmung zu ersetzen, in welcher sich sonst gehemmte Genussmöglichkeiten, unter ihnen die Lust am Unsinn, geltend machen. ‚Mit wenig Witz und viel Behagen.‘“

Der Dichter möchte nicht nahelegen, dass Albernheit, womöglich gar in ihrer abgefuckten, neo-infantilen Spielart, ein angeratener Zufluchtsort wäre, nein—es geht ihm nicht vorrangig um eine evasive Bewegung des Flüchtens, sondern vor allem um eine des Quillens. Dort, wo der Idiot diese Schleuse, vielleicht mit dem Ziel des Entkommens, einmal geöffnet hat, dringt die Albernheit ihm entgegen. Das Hineinquillen des Albernen? Herzlos, fühllos. Walross auf Partyspießchen. Silberzwiebel. Höchst flexibel. Immerzu bereit, wenn Unfug erodiert, neuen feuchten (feschen) Unfug aufzuschichten.

So ist die Albernheit auch das Fremde, das vom Dämon haltlosen Gelächters Untergrabene oder Verwischte. Zur Etymologie des Albernen: vom ahd. alawari, freundlich, wohlwollend (10. Jh.), es steht zudem mit Redlichkeit und Wahrheit in Verbindung und erst im 16. Jahrhundert kam hinzu: das alberne, kindische, unernste Benehmen. Nach einem Hinweis von Gert Mattenklott „bleibt mindestens bis ins 19. Jahrhundert noch ein Nebensinn der Wortbedeutung erhalten, der sich aus einem subkulturellen Verständnis der Etymologie speist. ( . . . ) Albern, so lesen wir in der romantischen Enzyklopädie (der Wissenschaften und Künste von Ersch und Gruber), leite sich am wahrscheinlichsten von den Elfen her, deren Name mit dem Schreckgespenst des Traums ursprünglich gleich gewesen sei. Dieser, der Alptraum, sei aber so genannt, weil man sich früher die Elfen auf Bergspitzen, eben auf Alpen hausend, gedacht habe.

Es bleibt also etwas über, das man nicht wissen kann, so wie es oft das Unbekannte ist, das Lachen erregt, das Unvorhersehbare, das ohne jede Dosierung in unsere Erwartung einbricht. Da wird schnell und deutlich klar, dass sich die Welt und die Menschen darauf in Bezug auf sich selbst genauso (!) außerhalb des eigenen Zugriffs befinden. Es gibt keine Kontrolle. Mit dem Albernen und seinen Energien zieht etwas Fremdes in den Körper ein. Der Idiot versucht weiter zu atmen, schüttelt sich die Haare vors Gesicht, setzt sich auf die Hände, es tränen ihm die Augen, sie tränen und tränen, er schaut nicht mehr auf, bloß nicht. Doch weithin sichtbar ist, dass seine Schultern zucken, während die argentinische Sopranistin auf der Bühne weiter ungerührt die vier letzten Lieder gurgelt. Und selbst nachdem er annahm, der Reiz sei abgeklungen, und sich langsam wieder aufrichtet, kann das Gelächter immer wieder an anderer Stelle, aber im gleichen Körper aufflackern—und andere anstecken. „Gelächter wirft sich auf andere, füllt die Luft mit seiner Ausgelassenheit.

Und diese Ausgelassenheit dehnt sich zuweilen über alle Widerstände hinweg aus. „Der alberne Strudel macht vor Nichts halt, d.h. er hält nicht eher ein, als bis das Nichts erfahren worden ist. In den Krämpfen der Albernheit wird das Bedeutende aus dem Körper geschüttelt und geschwemmt bis zur körperlichen Erschöpfung; eine Vernichtung alles bürgerlich Repräsentativen nicht nur, sondern—weit radikaler—der Ordnung von Repräsentation.

Das Fremde ist schon da: „Es ist eine körperlich-seelische Reaktion, die über einen kommen kann, oftmals forciert durch eine gewisse Stimmung der Gelöstheit oder eben der totalen Anspannung.“ Albernheit übernimmt den Körper und die Seele, es wird dann auch unnötig, weiter zwischen beiden zu unterscheiden. Die stehen dann füreinander ein, die geben sich aneinander ab. Wie eine ausgelassene Form der Erotik, welche nach der Peinlichkeit einsetzt, die darin besteht, dass man überhaupt über einen Körper verfügt (oder umgekehrt: der Körper über uns verfügt), was man ja insgeheim immer schon ahnte, aber was nun nochmals als gemeinsames Wissen erneuert wurde, mit einem anderen Körper im Konfetti des Begehrens. Geteilte Albernheit, die an die Stelle der Peinlichkeit tritt, kann einer Rettung gleichkommen. Womöglich rettet sie sogar das Kunstwerk.

Seine Albernheit (die des Kunstwerks) ist jedoch auch ein Stück Gericht über jene Rationalität; darüber, dass sie, in der gesellschaftlichen Praxis zum Selbstzweck geworden, ins Irrationale und Irre umschlägt, in die Mittel der Zwecke. Das Alberne an der Kunst, das die Amusischen besser gewahren, als wer naiv in ihr lebt, und die Torheit der verabsolutierten Rationalität verklagen sich gegenseitig, übrigens hat Glück, der Sexus, aus dem Reich der selbsterhaltenden Praxis gesehen, ebenfalls jenes Alberne, auf das, wer von ihm nicht getrieben wird, so hämisch hindeuten kann. 


Was den Idioten daran reizt, ist, neben dem Wunschtraum eines so zärtlichen wie plumpen und albernen Umgangs mit den menschlichen Sexualtrieben, die Idee einer Literatur mit Wirkung, direkter, körperlicher Wirkung—weil es diese Heiterkeit gibt, sind wir verpflichtet, es so einzurichten, dass sie zuweilen zum Ausbruch kommt. Es ist ja ein kleines Alltagswunder, mit Fremden zu lachen, weil es sich ergibt und ein ansteckender Impuls sich fortsetzt. Dies verwandelt die Situationen, in denen man vielleicht nur gleichgültig bis missmutig aneinander vorbeiwartete, in kollektive Happenings.

Und dann war da noch eine kompulsive Aufforderung: loch, so loch doch, so loch doch schon, die in der mehr resignativen als spontanen Versicherung „üch loch müch kronk“ kulminiert. Sich totzulachen, lautet die Redensart, und manchmal liest man von Rippenbrüchen, die besonders starken und heftigen Lachanfällen angelastet werden. Ich lach mich tot—aus einem Körper heraus, in den sozialen Körper hinein—aber auch aus einem sozialen Körper hinaus. Es ist ein soziales Geräusch mit monströsen Anteilen, aber die sind schließlich auch dem Sozialen nicht fremd. Wir werden später im Zusammenhang mit dem apotropäischen Gelächter, das Katastrophen bannen soll, darauf zurückkommen. Es braucht nicht viel, und das Wenige, was dazu nötig ist, lässt sich zur verzweifelten Freude der Ausgelassenen endlos wiederholen. Zuweilen reicht ein Wort und die Bereitschaft, es jeder möglichen Variation zu unterziehen: „Ihr Lacherer, schlagt die Lache an! / Ihr Lacherer schlagt an die Lacherei! / Die ihr vor Lachen lacht und lachhaftig lachen macht; / schlagt lacherlich eure Lache auf!“ Dies ist der Anfang des berühmten Gedichtes von Velimir Chlebnikov, das zu vielen verschiedenen Übersetzungen Anlass gegeben hat.

In seiner Aufführung stellt das Gelächter die Linien der sozialen Ordnung infrage und setzt gleichzeitig andere ein; es macht gefährlichen Kräften des Unvereinbaren den Weg frei, verbindet uns mit dem Irrationalen und der geistreichen Vitalität des Unsinnigen - Wahnsinn, Torheit, Unfug und Clownerei -, während es außerdem ein Set von Aktionen und Handlungen abbildet, die im Gewöhnlichen und Sinnhaften funktionieren. In anderen Worten: Gelächter ergibt Sinn, während es alles, was dem Sinn zuwiderläuft, offen in Erwägung zieht. 


Selbstverständlich gibt es Formen der Heiterkeit, die sich gegen andere, auf irgendeine Weise von der gegebenen Norm abweichende Menschen richten, eine herzlose Belustigung, die Abwehr und Ausschluss befördert und sich alles in allem im Dienste der Selbstgewissheit betätigt. Es ist nicht nur unter Ägyptologen, die sich mit dem Humor des antiken Ägyptens beschäftigen, ein offenes Geheimnis, dass die Zahl der menschenfeindlichen Witze die der menschenfreundlichen bei Weitem übersteigt.

Wer aber nicht mitlacht, hat nicht zu erkennen gegeben, wo seine Normgrenzen liegen, und ob er mit der Gruppe entscheidende Voraussetzungen der Kommunikation teilt. Dieser spürbare Konformitätsdruck, diese durch die scheinbare Enthemmung sichtbar werdende Zwanghaftigkeit des Gruppengelächters lässt es als ein Unterdrückungsritual erscheinen, mit dem man festgelegt werden soll auf Tabus, die auch in der vorübergehenden Auflockerung die Verdrängung garantieren. Das Nicht-mitlachen, das meistens beschämt werden soll als Muckertum und Gehemmtheit (was natürlich auch zutreffen kann), ist häufig eine unbewusste Weigerung, sich auf die im Gelächter vorausgesetzten Normen wieder einzulassen. Das Lachen kommt einem dann unerträglich vor, als der scheinhafte Freiheitstaumel einer Gesellschaft von Spießern.


Freilich, auch solche Witze dürfen generell gemacht werden, aber der Idiot hat allemal das Recht, sie nicht zu genießen.

Besonders fies ist ja, dass hierbei die kognitive Mitarbeit der Angefeindeten gefordert ist. Denn um etwas als menschenfeindlich zu verstehen, müssen Sie es zunächst einmal verstehen. Das ist eine Form des Mitmachens, gegen die Sie sich willentlich kaum werden wehren können. Der Idiot erinnert sich an Witze, die ihm als Kind erzählt worden sind und die er damals überhaupt nicht verstand. Ihm fehlte einfach der frauenfeindliche Hintergrund, vor dem allein sie sinnvoll wurden. Mit einem skandalösen und raunenden Unterton weitererzählt, erschienen sie ihm leer und hart, aber gerade darin sehr unheimlich—und eingestandenermaßen schon auch verlockend. Er hätte ja sehr gerne darüber gelacht, weil ihm der klandestine Tonfall, in dem sie vorgetragen wurden, imponierte. Der Idiot sagt, er erinnere sich noch an jeden einzelnen. „Einen Witz komisch zu finden, hat damit zu tun, dass man ihn genießt, weil man ihn versteht. Hier ist das Vergnügen oder die Freude an der Pointe der Schlüssel, weswegen man ihn komisch findet. Jedoch erscheint es als offensichtlich, dass man daran scheitern kann, Humor zu genießen—im Fall einer absichtlichen rassistischen Beleidigung zum Beispiel—, einfach weil man sie als das versteht, was sie ist.“ Am Ende steht der Hinweis, dass, auf manchen Witz eine Stille folgen zu lassen, angesichts der teils unbewussten Quellen von Rassismus, Sexismus und Homophobie, nicht die schlechteste Taktik sei: „Sometimes silence is the best policy.

Ja, Humor ist eine Waffe. Denkt der Leser dabei an Kurt Tucholsky, wird er diesen Satz vielleicht begrüßen. Aber eine Waffe ist neutral, sie kann allen dienen, die ihrer habhaft werden. Der Leser könnte sich auch andere Agenten vorstellen und käme in eine entsetzliche Lage. Es ist letztlich eine Frage der Hegemonie. Wenn es einerseits als ethisch vertretbar, ja sogar geboten gilt, die Mächtigen auszulachen und auf der anderen Seite als verwerflich, sich über die Schwachen lustig zu machen, muss die Situation immer wieder neu verhandelt werden. Wie verläuft das Gefälle? Es kann sich auch ändern, je nach Perspektive und Beteiligten. Die Weltanschauung der Scherzenden zu teilen, kann dazu beitragen, etwas komisch zu finden, muss das aber nicht, zum Beispiel angesichts einer Art der Satire, die „unberechtigte Stereotype braucht, um berechtigte Kritik zu formulieren.“ 

Es ist nicht allein der Inhalt, es ist die gesamte Situation, die einen lachhaften Sprechakt zu einem gewalttätigen Sprechakt macht. Diese Situationsgebundenheit—„on peut rire de tout, mais pas avec tout le monde,“ dass man eben über alles, aber nicht mit allen lachen könne—macht es schwer, eine Trennlinie zu skizzieren, mithilfe derer man den guten vom schlechten Witz unterscheiden könnte. Andererseits kann man es ja doch.